Diagnose „Legasthenie“ – Gesundheitsdaten verarbeiten

Nach einer Veröffentlichung des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie e.V. sind ca. 3–5 % aller Schüler von einer isolierten Lesestörung, isolierten Rechtschreibstörung, einer Lese-Rechtschreibstörung oder Rechenstörung betroffen. Die primäre Diagnose lautet „Legasthenie“. Häufig erkranken Kinder zusätzlich noch psychisch, weil sie durch die Legasthenie sozial ausgegrenzt werden. Hilfe finden Legastheniker u.a. bei Legasthenie-Trainern oder Therapeuten, die den Betroffenen individuell helfen. 

 

Unproblematische Daten

Nehmen die Eltern für ihr Kind die Leistung eines Legasthenie-Trainers oder Therapeuten („Anbieter“) in Anspruch, wird ein Dienstleistungsvertrag geschlossen, zu dessen Erfüllung die erforderlichen Daten verarbeitet werden dürfen. Dies umfasst z.B. die Namens-, Adress- und Kontaktdaten, den Namen des Kindes  sowie gegebenenfalls auch eine Bankverbindung. Der Anbieter darf die Daten verarbeiten, weil dies für die Erfüllung eines Vertrages erforderlich ist, dessen Vertragspartei die Eltern sind. 

Ebenso ist im Falle einer Kontaktaufnahme durch die Eltern im Vorfeld die dafür erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig.

Der Anbieter darf die personenbezogene Daten der Eltern auch verarbeiten, weil die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der er unterliegt. Hier handelt es sich z.B. um Verarbeitungen von Daten, die nach den Regelungen des Steuerrechts vorgeschrieben sind.

Des Weiteren könnten Daten verarbeitet werden, weil dies zur Wahrung der berechtigten Interessen des Anbieters erforderlich ist und nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Da es sich hier auch die Daten der Kinder handeln kann, sind deren Rechte besonders zur berücksichtigen. Aus berechtigtem Interesse könnten z.B. Protokolle über die Unterrichtsstunden bzw. die Lernfortschritte der Kinder verarbeitet werden.

Die Verarbeitung der Daten erfüllen in den genannten Fällen die in Art. 6 DS-GVO aufgeführten Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit. Zusätzlich muss die Verarbeitung auch mit den in Art. 5 Abs. 1 DS-GVO aufgestellten Grundsätzen im Einklang stehen.

Diagnose "Legasthenie" - ein Gesundheitsdatum?

Die Rechtsgrundlagen des Art. 6 DS-GVO allein sind aber nicht ausreichend, um Gesundheitsdaten (Besondere Kategorien von Daten oder „sensible“ Daten) zu verarbeiten. 

Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Diagnose „Legasthenie“ oder mit ihr zusammenhängender weitergehender Erkrankungen sind die Vorschriften über die Verarbeitung von Gesundheitsdaten. Gesundheitsdaten sind personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen.

Nach dem Urteil des BVerfG, 1. Senat vom 22.11.2023 (Aktenzeichen 1 BvR 2577/15) liegt im Falle einer Legasthenie eine Behinderung im verfassungsrechtlichen Sinne vor. Eine solche Behinderung bestehe, wenn eine Person infolge eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes in der Fähigkeit zu individuellen und selbstständigen Lebensführung längerfristig beeinträchtigt sei. Geringfügige Beeinträchtigungen seien nicht erfasst, sondern nur Einschränkungen von Gewicht. 

In dem Urteil heißt es weiter:  

„ Es handelt sich um eine lebenslang anhaltende neurobiologische Entwicklungsstörung. Eine unzureichende Verbindung bestimmte Hirnareale führt zu einer Verlangsamung der Hirnfunktion beim Lesen und Schreiben und zu einer Rechtschreibstörung. Die Lesegeschwindigkeit ist deutlich herabgesetzt. Wegen der verlangsamten Repräsentation einzelner Wörter im Gehirn ist auch das Textverständnis erheblich beeinträchtigt. Die Rechtschreibstörung beruht auf der unzureichenden Fähigkeit, die lautliche Repräsentation den Buchstaben zuzuordnen.“ (Rz. 38, Angaben der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie)

Im Ergebnis liegen somit mit der Diagnose „Legasthenie“ ein Gesundheitsdatum vor, so dass für die Verarbeitung auch Art. 9 DS-GVO zu beachten ist.  

Die Einwilligung der Eltern

Wer Nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ist die Verarbeitung von Gesundheitsdaten untersagt, soweit nicht eine der Ausnahmen des Abs. 2 vorliegt.

Maßgeblich ist im vorliegenden Fall für die Verarbeitung der Informationen über die Diagnose „Legasthenie“ selbst sowie etwaiger weiterer psychischer Erkrankungen eine informierte Einwilligung. Die Einwilligung muss alle Informationen („Zweck(e) der Verarbeitung) beinhalten, die notwendig sind, damit die Umstände der Datenverarbeitung sowie ihre Auswirkungen und damit die Tragweite der Einwilligung  den Eltern verständlich sind. Dazu gehört z.B. auch eine Auflistung der betroffenen Daten. Sofern Auftragsverarbeiter eingesetzt werden, ist auch über diese zu informieren. Nutzen die Anbieter Auftragsverarbeiter im Drittland wie den USA z.B. zur Speicherung der Daten sind zusätzliche Anforderungen zu erfüllen.

Der Anbieter sollte aus Dokumentationszwecken eine schriftliche Einwilligung zur Verarbeitung der Gesundheitsdaten des Kindes von den Eltern einholen. Ebenso muss der Anbieter die Eltern darauf hinweisen, dass die Einwilligung freiwillig ist und sie das Recht zum jederzeitigen Widerruf haben.

Anzupassen ist dann auch die Information nach Art. 13 DS-GVO für die Eltern, die für die Einwilligung die entsprechenden Ausführungen zu enthalten hat.

Haben Sie noch Fragen? Gern berate ich Sie zu den datenschutzrechtlichen Themen:

RA Christof Kolyvas

Datenschutz für Unternehmen, Selbständige und Vereine

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