Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde stellt Entbindung von der beruflichen Schweigepflicht dar

Es gibt Berufe, die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, z.B. Ärzte, Anwälte, Wirtschaftsprüfer. Deren Verpflichtung zur Verschwiegenheit korrespondiert zugleich mit entsprechenden Vorschriften in der Straf- und Zivilprozessordnung zur Zeugnisverweigerung. Die Angehörigen dieser Berufsgruppen haben daher das Recht, als Zeugin oder Zeuge vor Gericht oder anderen staatlichen Stellen die Aussage bzw. die Eidesleistung zu verweigern. Sie dürfen aus beruflichen Gründen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Von der Verpflichtung können sie ausdrücklich oder konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten, aber von Ihren Mandanten oder Patienten entbunden werden.

Beinhaltet die Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht?

Im maßgeblichen Fall wendete sich ein ehemaliger Mandant mit einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde. Er beschwerte sich über einen angeblichen Verstoß seiner ehemaligen Anwälte gegen Vorschriften der DS-GVO. Auf sein Auskunftsverlangen gemäß Art. 15 DS-GVO gegenüber seinen ehemaligen Anwälten beauftragten diese eine andere Kanzlei mit der Beantwortung des Auskunftsersuchens. Vor diesem Hintergrund wendete sich der ehemalige Mandant an die Aufsichtsbehörde, weil er befürchtete, dass seine ehemaligen Anwälte zum Zwecke der Beantwortung seines Auskunftsverlangens seine personenbezogenen Daten – insbesondere Gesundheitsdaten – an die andere Kanzlei weitergegeben hätten, obwohl er seine ehemaligen Anwälte ausdrücklich darum gebeten habe, seine personenbezogenen Daten nicht weiterzugeben. Er befürchtete zudem, dass seine personenbezogenen Daten elektronisch unverschlüsselt von seinen ehemaligen Anwälten an deren Beauftragte übermittelt worden seien. Daraufhin wendete sich die Aufsichtsbehörde mit einem Informationsersuchen nach Art. 58 Abs. 1 lit. a) DS-GVO an die ehemalige Anwaltskanzlei und wollte von dieser unter anderem wissen:

·     auf welcher Rechtsgrundlage die Kanzlei (als Verantwortlicher) eine stellvertretende Bearbeitung und Beantwortung von
Auskunftsersuchen gemäß Art. 15 DS-GVO für rechtmäßig halte

·       ob und in welchem Umfang und welche personenbezogenen Unterlagen, die den Beschwerdeführer beträfen, zum Zwecke der
Bearbeitung und Beantwortung seines Auskunftsersuchens von der Kanzlei an die mit der von ihr zur Beantwortung beauftragte Kanzlei weitergegeben worden seien

·       auf welchem Kommunikationsweg (E-Mail, Post) die personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers weitergeleitet worden seien

·       aufgrund welcher Rechtsgrundlage (Art. 6 DS-GVO) die den Beschwerdeführer betreffenden personenbezogenen Unterlagen
weitergeleitet worden sein.

 

Die um Information ersuchte Kanzlei wollte die Sache gerichtlich klären lassen, so dass es nach dem Erlass einer Auskunftsanordnung zu einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht Bremen kam (Urteil vom 23.01.2024, Az. 4 K 1019/23). 

Beschwerden über Berufsgeheimnisträger beinhalten konkludente Entbindung von der Schweigepflicht

In dem Verfahren argumentierte die Kanzlei unter anderem auch damit, dass sie der berufsrechtlichen Verschwiegenheit gegenüber dem ehemaligen Mandanten unterliege und daher bei einer Auskunftsanordnung keine Auskunft gegenüber der Aufsichtsbehörde geben müsse. Dieses Argument wurde vom Gericht jedoch nicht akzeptiert. Wende sich eine betroffene Person nach Art. 77 DS-GVO an die Aufsichtsbehörde damit diese einen von ihr befürchteten Verstoß durch die schweigepflichtige Person gegen Vorschriften der DS-GVO aufkläre, befreie sie zugleich von der Schweigepflicht. In diesem Fall von der nach § 43a Abs. 2 BRAO. Eine Beschwerde könne von der Aufsichtsbehörde nicht hinreichend aufgeklärt werden, wenn in der Beschwerde nicht ein konkludentes Einverständnis in die Entbindung von der Schweigepflicht gesehen werde. Für ein konkludentes Einverständnis spreche auch die Verschwiegenheitspflicht der Bediensteten der Aufsichtsbehörde nach Art. 54 Abs. 2 DS-GVO. 

Die Berufung gegen das Urteil wurde zugelassen.

Die Kanzlei als Verantwortlicher der Datenverarbeitung konnte sich gegenüber der Aufsichtsbehörde daher nicht auf ihre berufsrechtliche Schweigepflicht berufen, weil es ihr ehemaliger Mandant selbst war, der sich an die Aufsichtsbehörde gewandt hatte. Vom Ergebnis her gilt dies gegenüber allen „Berufsgeheimnisträgern“, d.h. auch bei Ärzten, Wirtschaftsprüfern oder Psychotherapeuten.

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RA Christof Kolyvas

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