Türklingelkameras – Videoüberwachung der Nachbarn?

Türklingelkameras

Nach einer Umfrage im Jahr 2017 führte bei 81 % der Befragten die Verwendung von Videoüberwachung zu mehr Sicherheit. 14 % der Befragten gaben an, dass sie einen Eingriff in ihre persönlichen Freiheitsrechte befürchten.

Die Umfrage bezog sich auf Aufnahmen von staatlicher Videoüberwachung. Vergleicht man die Rechtsprechung zur Videoüberwachung im privaten Bereich und die Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden, gibt es hinreichend Beispiele, in denen durch private Videoüberwachung die Rechte anderer verletzt wurden.

Da das Sicherheitsbedürfnis hoch ist und Überwachungskameras erschwinglich sind, gibt es auch immer mehr Personen, die diese einsetzen. Moderne Systeme bieten vielfältige Möglichkeiten an: Bewegungssensor, Aufzeichnungsmöglichkeiten oder Speicherung der Aufnahmen in der Cloud oder Übertragung auf das Smartphone. Je mehr Technik verwendet wird, desto höher auch die Zahl derer, die sich unrechtmäßig beobachtet und überwacht fühlen. Hier sei die Anmerkung erlaubt, dass dies Smartphones schon tagtäglich hervorragend machen.

Rechtliche Probleme

Eine Videoüberwachung, d. h. die mithilfe „optisch-elektronische Einrichtungen“ erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten, kann auch mit handelsüblichen Geräten wie z.B. Tür- und Klingelkameras oder Videogegensprechanlagen erfolgen. Eine „Videoüberwachung“ liegt auch dann vor, wenn es sich um eine Live-Übertragung der Bilder auf einen Monitor gleich welcher Art, also z.B. ein Smartphone, handelt. Auch wenn zunächst keine „Videoüberwachung“ stattfindet und kein Überwachungszweck verfolgt wird, ist die Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach den Vorschriften der DSGVO zu prüfen.

Türklingelkameras oder Videogegensprechanlagen

Türklingelkameras können in das Türklingel-Tableau integriert sein oder z.B. in Türspione. Sie dienen als „verlängertes Auge“, um zu erkennen, wer an der Tür klingelt. Diese Geräte sind daher optisch elektronische Einrichtungen, die auch der Überwachung dienen können.

Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Nutzung von Türklingelkameras und Videogegensprechanlagen, die im privaten Bereich verwendet werden, immer wieder zu Verfahren mit einer Aufsichtsbehörde für den Datenschutz oder zivilrechtlichen Nachbarschaftsklagen führen.

Was ist zulässig?

Unproblematisch sind:

  • Kameras, die nur dann ein Bild liefern, wenn geklingelt wird.
  • Bildübertragungen nur in die Wohnung, in der geklingelt wurde.
  • Erfassung ausschließlich des Nahbereich des Eingangs.
  • Unterbrechung der Bildübertragung nach spätestens einer Minute.
  • keine dauerhaften Aufzeichnungen.
  • Türklingelkameras ohne Cloud-Anbindung.
  • Türklingelkameras ohne Bewegungsmelder.

Was ist unzulässig?

Aufgeführt werden einige Beispiele, wobei immer der Einzelfall zu prüfen ist.

  • Unzulässig sind Systeme, die in Wohnbereichen sowohl als Tür- und Klingelkamera, Videogensprechanlage als auch Überwachungskamera eingesetzt werden können, z.B. aktiviert durch Bewegung, manuell oder per Smartphone und dabei auch nur teilweise öffentlichen Raum erfassen und nicht die Anforderungen der DSGVO erfüllen.
  • Unzulässig sind Türklingelkameras oder Videosysteme, die das gesamte Treppenhaus, gegenüberliegende Türen, Nachbargrundstücke oder den öffentlichen Gehweg/öffentlichen Raum erfassen. Ausreichend ist bereits die Erfassung von Teilen des öffentlichen Raums.
  • Unzulässig sein kann die Verwendung von Systemen, die Aufnahmen in der Cloud speichern. Einerseits sind die Datenschutzeinstellungen vieler Hersteller selten so, dass sie die Vorgaben der DSGVO erfüllen. Verantwortlich dafür ist der Verwender, nicht der Hersteller. Häufig wird ein Verantwortlicher auch keine technischen und organisatorischen Maßnahmen ergreifen, um die Aufnahme in der Cloud entsprechend abzusichern. Sollte die DSGVO anwendbar sein, so würde sich zuerst die Frage stellen, ob nicht der Cloud-Anbieter als Auftragsverarbeiter für den Verwender der Kamera tätig ist. Von daher würde sich dann auch die Frage stellen, ob eine Übermittlung der personenbezogenen Daten in unsichere Drittländer wie die USA oder China stattfindet.
  • Tür- und Klingelkameras sowie Videogegensprechanlagen, die neben Videoaufnahmen auch Tonaufzeichnungen machen, sind unzulässig, weil die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes eine Straftat ist.

Vorgaben der DSGVO

Ist die Videoüberwachung auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet, der die Daten auf diese Weise verarbeitet, kann sie nicht mehr als eine ausschließlich „persönliche oder familiäre“ Tätigkeit angesehen werden. Somit sind alle maßgeblichen Vorschriften der DSGVO auf Tür- und Klingelkameras sowie Videogegensprechanlagen anwendbar.

Der Verwender, d.h. datenschutzrechtlich der „Verantwortliche“ für die Datenverarbeitung, muss einen Rechtfertigungsgrund für die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO haben. Verantwortliche können nicht davon ausgehen, dass die bloße Erkennbarkeit der Nutzung bzw. der bloße Hinweis auf die Verwendung rechtlich ausreichend sind.

In der Mehrzahl der Fälle ist Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO die Rechtsgrundlage. Der Verwender hat ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung. Jedoch darf das berechtigte Interesse nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der aufgenommenen Person verletzen, insbesondere dann, wenn es sich dabei um ein Kind handelt. Nicht ausreichend ist die bloße Behauptung, es läge ein berechtigtes Interesse vor. Ob die Voraussetzungen vorliegen, ist in einem mehrstufigen Verfahren zu prüfen. Wenn die Rechtmäßigkeit nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO bejaht wird, sind die weiteren Pflichten der DSGVO einzuhalten:

  • Dokumentationspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO
  • Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO
  • geeignete technische und organisatorische Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO und
  • möglicherweise eine DSFA und ein VVT.

Zivilrecht

Die Verwendung einer Türklingelkamera oder Videogegensprechanlage sowie bereits eine Kameraattrappe können zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der aufgenommenen Person in Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung führen. Beobachtete bzw. aufgenommene Personen können verschiedene Ansprüche haben:

  • Anspruch auf Unterlassung der Verarbeitung der personenbezogene Daten
  • Beseitigung bzw. Entfernung der Einrichtung/Kamera-Attrappe
  • Anspruch auf Löschung sämtlicher, von ihr angefertigter Bild- und Tonaufzeichnungen

Ebenso kann eine Verpflichtung zur Leistung von (immateriellem) Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO bestehen.

Fazit

Eine vermeintlich günstige Lösung kann rechtlich schnell teuer werden. Nicht immer erfolgt nur ein freundlicher Anruf der Datenschutzbehörde mit einem Hinweis. Auch wer jetzt denkt, „Wo kein Kläger, da kein Richter“ sollte berücksichtigen, dass viele Verfahren bei der Aufsichtsbehörde und auch den Zivilgerichten durch Betroffene („Nachbarn“) entstehen. Daher ist das Thema seit langem immer wieder in den Tätigkeitsberichten der Landesdatenschutzbeauftragten zu finden und es gibt eine umfangreiche Anzahl von Urteilen im Zivilrecht zu dem Thema.

Sie haben noch Fragen?

Gern berate ich Sie zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung von Videoüberwachungsanlagen jeglicher Art.

RA Christof Kolyvas – Datenschutz für Verantwortliche, Tel: +49 234 29831858